Festival Rümlingen 2014 – Neue Musik – Theater – Installation

 

ZWIELICHT.STROMAUFWÄRTS

 

Die Dinge unter verschiedenen Lichtverhältnissen betrachten und immer wieder die erwartbare Richtung umkehren – wer sich mit zeitgenössischer Musik beschäftigt, gar ein Festival für «Musik, Theater und Installationen» erfindet, muss das Überraschende lieben, manchmal auch das Unbequeme oder Unplanbare.

 

Die Festivaltitel «zwielicht» (1997) und «stromaufwärts» (2003), zwei Jahrgänge des Festival Rümlingen, die aus den ausgiebigen Gesprächen der Festivalgründer über Kollektiv-Kompositionen entstanden sind, erinnerten damals die Beteiligten daran. 2014 nun erinnern wir mit Neukompositionen aus Teilen dieser Festivals an Ado Müller, den unverzichtbaren Wegbereiter der ersten Jahre.

 

1990 gründete Ado Müller als Pfarrer von Rümlingen gemeinsam mit seiner Frau Elsa Müller, der Siegristin Myrtha Wagner und dem Komponisten Daniel Ott das Festival, in dessen 25. Saison ist er im Mai 2014 verstorben. Zu seinen Ehren stellen KomponistInnen, die die Gründerjahre des Festivals mitgeprägt haben (und die umgekehrt auch durch die dortigen Aktivitäten geprägt worden sind), ihre heutigen Versionen der damaligen Klangaktionen vor. Sie ereignen sich in der Kirche und um sie herum, es spielen professionelle Musiker, aber auch ganz junge Nachwuchsinterpreten – in Sylwia Zytynskas «Im Dialog» wirkt sogar eine Enkelin Ado Müllers mit – all dies hat Tradition in Rümlingen und entsteht doch neu am 15. Dezember (und damit erstmals in der Festivalgeschichte zur Winterzeit).

 

Nicht nur Rückblick also, sondern zugleich fortdauernde Beweglichkeit: Mit wechselnden Schuhen an den Füssen wie in Daniel Otts «ojota l», langsam wie Jacques Demierres Interpreten in «The Languages came first. The Country After», auf neuen Wegen im Innenohr wie in Hans Wüthrichs «Singender Schnecke», Mario Pagliaranis «BWV 721 Rümlingen Remix» betretend, lauschend in die Nacht auf Carola Bauckholts «Stimme», in Manos Tsangaris’ «Turmlesung für Ado Müller» ein Areal erkundend oder auf Peter Ablingers Stühlen im «Kreis für Ado» rastend. Und im Zweifelsfall: stromaufwärts und im Zwielicht.

 

Lydia Jeschke, Dramaturgin Festival Rümlingen